Leo Montada
Universität Trier
Liebe Margret,
Wir möchten glauben, Gisela und ich, daß Du weißt, wie Du uns fehlen wirst, wie allen, die Dir nahe waren. Viele unter uns hätten Dich noch gebraucht, so wie Du vielen auf ihrem Weg geholfen hast, in der Dir ganz eigenen Weise: wirksam und diskret -- diskret, weil Du Dich nie selbst herausgestellt hast.
Wir haben oft davon gesprochen, daß Du Pflichten bis an die Grenzen des Möglichen übernommen hast, selbstverständlich, verläßlich, ganz ohne Eitelkeit, ohne je darüber zu reden oder gar zu klagen.
Die Pflichten, die Du für andere übernommen hast, haben diese nicht unfrei gemacht. Du hast niemanden verpflichtet, auch nicht zu Dankbarkeit, Du hast Freiheit und Autonomie in Deiner Nähe nicht nur respektiert, sondern gewollt und gefördert.
Wohl auch, weil Du Deine Dir selbst gesetzten Pflichten erfüllt hast, warst Du mit Dir im Reinen, wie es wenige sind. Das haben wir immer gespürt. Das hat das Zusammensein mit Dir einfach und leicht gemacht. Du hattest wenig Unsicherheiten, keine narzißtischen Empfindlichkeiten, und es gab keine tabuierten Themen. Man durfte bei Dir sein, wer man war, und reden, was man wollte.
Du hattest gewiß klare und feste Vorstellungen von Tugenden, aber Nachsicht mit einem weiten Spektrum menschlicher Schwächen. Grenzen der Nachsicht haben wir selten erlebt, am ehesten, wenn jemand fehlende Substanz mit einer blendenden Fassade zu verkleiden versuchte. Das entsprach so gar nicht Deiner Vorstellung von Ehrlichkeit.
Du hattest auch klare und feste Vorstellungen darüber, was in der Welt zu verbessern wäre. Dein Engagement für eine bessere Gestaltung des Lebens von alten Menschen und von Frauen ist ein Beispiel für dieses Ethos.
Das hat Dich nie unduldsam werden lassen. Man durfte andere Überzeugungen vertreten ohne Sorge, daß die Beziehung zu Dir belastet würde, auch weil Du so offen und zugewandt zuhören konntest. Zu Deinen Überzeugungen hast Du allerdings immer gestanden, auch wenn es nicht opportun schien und wenn es Courage erfordert hat, wie es Deiner radikalen Ehrlichkeit entsprach.
Daß Du mit Dir im Reinen warst, hat Dich auf so angenehme Weise offen sein lassen für andere, für Freunde, für Gespräche und auch für das Schöne im Leben. Gisela hat oft von gemeinsamen Studientagen in Freiburg erzählt, von Euren Wanderungen auf die Schwarzwaldhöhen, wie Ihr die schöne Stadt, die Orgelkonzerte im Münster und auch die Auslagen in den Schaufenstern genossen habt. Und wie Du gespart hast, um Dir etwas Schönes zum Anziehen zu kaufen und dann besonders chic ein Kammerkonzert im Hof der Alten Universität zu besuchen.
So ist das geblieben, die Liebe zu Landschaften, zu Städten, zur Musik und die Freude an schönen Dingen und eleganten Kleidern, die Freude an Gastlichkeit -- draußen und zu Hause bei Euch.
Euer Radius wurde global, und die Aufgaben türmten sich. Aber dank Deiner bewundernswerten Organisation und Disziplin hast Du Dir Freiraum für Begegnungen und auch für das Genießen erhalten.
Wir denken an gemeinsame Stunden in anregender und wunderbar vertrauter Atmosphäre. Gisela läßt Dir sagen, wie beglückend sie seit den Freiburger und -- dann zu viert -- den Saarbrücker Zeiten diese Vertrautheit empfunden hat, die auch nach längeren Zeiten der räumlichen Distanz sofort und unversehrt da war und kein Fremdeln aufkommen ließ.
In diesen Stunden warst Du immer ganz zugegen -- mit Kopf und Herz. Wenn ein Thema, ein Problem Deinen Kopf und Dein Herz füllten, dann hast Du uns teilhaben lassen. Du warst präsent und trotz der Fülle der Aufgaben immer gelassen. Einen Anflug von Hektik haben wir allenfalls gespürt, wenn du am Abend mit dem Wagen im Gewirr von Einbahnstraßen und Sperren am Prenzlauer Berg herumgestochert bist, um gleich danach darüber lachen zu können.
Wir haben Deinen Sinn für Humor genossen. Die Komik, die wir alle gelegentlich bieten, hast Du mit Deinem Lachen jeder Peinlichkeit enthoben, mit Deinem herzlichen Lachen, das wir lebendig im Ohr haben.
Liebe Margret, Du hast wohl noch mehr nach vorne als zurück geschaut. Aber Du konntest auch auf ein reiches Leben zurückschauen: auf Eure Partnerschaft, die Ihr zu einer Symbiose entwickelt habt und die enorme synergetische Kräfte entfaltet hat, auf Eure geliebten Kinder, auf große berufliche Leistungen, auf gute Begegnungen mit vielen Menschen, von denen nicht wenige Eure Freunde wurden, auf viele gemeisterte Herausforderungen und auf viele unvergeßliche Momente.
Wir sind dankbar für die Freundschaft mit Dir, mit Euch, und für die gemeinsamen Stunden, die unser Leben bereichert haben.
Wir hatten gehofft, daß in nicht zu ferner Zeit mehr Freiraum sein würde für Gespräche über das Geschehen in der Nähe und in der Welt und für gemeinsames Tun und Erleben.
Nun bliebt uns nur das Erinnern. Wir werden die Begegnungen mit Dir wachhalten und sorgsam hüten und pflegen. Wir werden Dich vermissen. Wir hoffen, daß Du das wußtest. Und wir möchten glauben, daß Du das weißt.